Mehr als ein frommer Anstrich

Manchmal würde man gerne den ganzen Altbau, die Ruinen und leer stehenden Häuser seines Lebens einreißen und etwas Neues dahin bauen. Irgendetwas mit Bedeutung, etwas Erfüllendes. Doch was hat Tiefe? Bildung vielleicht? Oder Freundschaft? Etwa Kirche? Es lohnt sich, nach Antworten auf diese Frage zu suchen.
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Was ist eigentlich cool unter Studenten? Genauer: eine coole Meinung – welchen Ton muss man dabei treffen? Mir scheint, je mehr man sich an den akademischen Zirkus gewöhnt hat, umso mehr eignet man sich diese lässig-zynische, aber immer brutal rationalistisch begründete Denkweise in der Meinungsbildung und –vertretung an. Pessimistisch, was Lebenssinn betrifft; und doch auch optimistisch: denn man hat ja noch etwas in petto…  Man dekonstruiert seine eigenen Denkgrundlagen, ignoriert aber bewusst die Folgen. An der Uni lernt man diskutieren. An der Uni lernt man zu hinterfragen – mit der induktiven und deduktiven Methode - und man lernt zu differenzieren. Man lernt, dass die Wahrheit immer „schwierig“ ist, und wahrscheinlich irgendwo in der Mitte liegt. Das leuchtet uns meistens schnell ein, denn die Argumente für eine solche Betrachtungsweise sind doch oft sehr vernünftig. Sie überzeugen und schenken uns das Gefühl einer tieferen Einsicht. Aber diese Einsichten – berühren sie uns wirklich? Reicht wissenschaftliches Denken, um unsere tiefsten Fragen zu beantworten? Spüren wir überschwellenden Frieden, wenn uns Erkenntnisse überkommen? Kommen uns die Tränen?

An der Uni lernen wir neue Leute kennen. Wir schließen neue Freundschaften. Gleichzeitig versuchen wir den Kontakt mit unseren Schulfreunden zu halten – Heimatbesuche, Emails, Telefonieren, Skype. Ein schwerer Spagat. Umso schwerer, wenn wir merken, dass wir uns verändern und unseren alten Freunden vielleicht immer weniger zu sagen haben. Andererseits ist es mit unseren neuen Freunden oft nicht leichter: Man redet, diskutiert Dinge, erzählt Stories, aber – irgendetwas fehlt. Was ist dieses Etwas? Tiefe? Manchmal trauen wir uns nicht, unseren Freunden alles zu sagen, weil wir Angst vor der Lächerlichkeit haben, der wir uns dann preisgeben würden. Das ganze ironische Gerede miteinander, oft auch über andere, verunsichert uns vielleicht insgeheim. Aber das wesentliche Problem ist wohl, dass sie uns und wir ihnen nicht richtig zuhören.

Auf der Suche nach Tiefe und Bedeutung treibt es den Einen oder Anderen vielleicht in die Kirche. Vielleicht, weil wir es noch von zu Hause gewohnt sind, oder weil wir hier jemanden kennen gelernt haben, der in die Kirche geht, oder vielleicht, weil wir mal davon gehört haben und einfach neugierig geworden sind. Es gibt ja auch einige christliche Studentengruppen. Und oft ist es nett dort. Vielleicht schließen wir uns ihnen an und engagieren uns in irgendeiner Weise. Wir lernen die „Regeln“: beten, singen, Bibel lesen. Und fühlen uns vielleicht dort sogar wohl. Aber: Haben wir das gewisse Etwas erfasst? Erschüttert unsere Seele in den christlichen Versammlungen? Im Gebet? Sind wir ergriffen, wenn wir im Neuen Testament von Jesus lesen? Und wenn wir singen „Halleluja“ – d.h. gelobt sei Gott – meinen wir das wirklich, wirklich ernst?
 
Vielleicht habe ich es noch nicht gemerkt, dass das Wissen an der Uni mich nicht selig machen kann. Es gibt mir mehr oder weniger gute Kenntnisse für meinen Beruf, oder um in Gesprächen geistreich zu erscheinen. Aber meine Seele verdorrt, wenn sie nicht mehr bekommt. Und auch meine Freundschaften vermögen es nicht, mich selig zu machen, sofern sich nicht in den Beziehung irgendetwas ändert, das dem Ganzen Tiefe geben könnte. Was ist mit der Kirche?

Wir ahnen es bereits: Die Kirche kann uns auch nicht selig machen. Die christliche Gemeinschaft, so schön sie auch manchmal sein mag, ist nur fröhliches Beisammensein, wenn sie nicht mehr als Zeremonie zu bieten hat. Und all die Gebete schaffen es nicht, die Zimmerdecke zu durchbrechen, wenn es nur Selbstgespräche sind. Und all die Versuche, ein besserer Mensch zu werden - Almosen geben, verzichten oder sonntags den Gottesdienst besuchen –, haben nur „einen Schein von Weisheit und sind selbsterwählte Frömmigkeit“ (Kolosser 2, 23), wenn sie eben nur auf dieser menschlichen Ebene bleiben, die in folgenden Gedanken zum Ausdruck kommt: „Man soll mich dabei sehen!“ und „Die anderen müssten das eigentlich auch tun!“. Das sind die Fassaden, die bereits Jesus an den Pharisäern beobachtet hat: „Ihr seid wie übertünchte Gräber, die von außen hübsch aussehen, aber innen sind sie voller Totengebeine und lauter Unrat.“ (Matthäus 23, 27).

Und doch gibt es tatsächlich etwas im Christentum, das noch heute auf die vielen christlichen Gemeinschaften abglänzt. Dieses „Etwas“ ist der Grund, weshalb das Christentum die Jahrhunderte überdauert und zu jeder Zeit brennende Anhänger gefunden hat. Es ist die grundlegende Erkenntnis, dass Gott lebt, wir ihm begegnen können, er unsere Gebete hört und… er uns selig machen kann. Selig machen, d.h. echtes Leben schenken;  dass wir nicht nur äußerlich leben, sondern auch im Innern. Wie ist das möglich? Jesus lädt ein: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.“ (Matthäus 11, 28f.)

An Christus glauben und selig werden: dies hat Konsequenzen in unserem Leben. Das ist mehr als ein frommer Anstrich, und mehr als zu sagen: „Gott gibt’s“. Denn es heißt, die Führung unseres Lebens abzugeben und von nun an Gott gehorsam zu sein. Mancher wird sich über uns ärgern und lustig machen –  „denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit“.

Aber zuletzt müssen wir uns selbst fragen, ob wir mit dem Strom schwimmen wollen, um uns ja nicht lächerlich zu machen, aber dafür dahin treiben ohne Tiefe. Oder ob wir uns ernsthaft aufmachen wollen, um nach Tiefe und echtem Frieden zu suchen, dem Spott zum Trotz. Lasst es uns tun wie der Kaufmann in einem Gleichnis von Jesus: „Er suchte gute Perlen, und als er eine kostbare Perle fand, verkaufte er alles, was er hatte, und kaufte sie.“ (Matthäus 13,45f.)

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